Ich bin Herausgeber der internationalen Zeitschrift Space and Culture. Wir veröffentlichen empirisch fundierte Artikel über Kulturgeografie, Architektur, Soziologie der Alltäglichkeit, Medientechnologie usw. Die Zeitschrift ist stark interdisziplinär ausgelegt. Ein neues Forschungsvorhaben, welches ich momentan mit internationalen Kollegen entwickle, betrifft eine komparative Analyse von Flughäfen und der räumlichen Ordnung von Sicherheit und Risikomanagement.
Das Hauptziel dieses Lehrstuhls ist es, die (nicht nur deutsche) Soziologie ein Stück zu erneuern. Mit zwei Büchern (Media Technology, Risk and Technological Culture) hoffe ich, einen kleinen Beitrag zu dieser Erneuerung liefern zu können. Soziologische Theorie soll meiner Meinung nach stärker empirisch ausgerichtet sein, aber das ist keine methodologische und vor allem keine epistemologische Fragestellung.
Stattdessen brauchen wir eine ontologische Neuausrichtung auf Objektivität. Wir sollen uns nicht mehr so an den Dingen-an-sich abarbeiten, sondern genauer analysieren wie 'Dinge' entstehen. Objektivität bsteht nicht einfach, sondern entsteht aus Objektivierungsprozessen. Die Soziologie kann einen wichtigen Beitrag liefern, diese Objektivierungsprozesse zu analysieren und zu 'testen'. Solch eine Orientierung stammt ursprünglich von den Vertretern der Akteur-Netzwerk Theorie und findet ihren Ursprung bei dem Soziologen Gabriel Tarde; aber auch bei Philosophen wie Spinoza, Leibnitz, Nietzsche, William James, Alfred North Whitehead, Heidegger und Deleuze. Zur diesem Thema schreibe ich im Moment einen Buchvorschlag mit einem Kollegen aus München.
In meiner Arbeit stellt "Vermittlung" (Mediation) einen zentralen Begriff dar, da mein Werdegang wesentlich geprägt ist von meinem ehemaligen Lehrstuhl Medienanalyse an der Nottingham Trent University. Besonders Medientechnologie ist mein Fachgebiet und zudem gut geeignet um zu beobchten, wie das Soziale selbst eigentlich objektiviert wird. Vermittlung heißt, dass etwas nicht einfach unberührt zwischen zwei Akteuren fließt. Wenn 'etwas' passiert, dann sollten wir immer fragen, wer das Passieren ermöglicht hat. Von welchen Kräften wird er unterstützt? Von welchen Kräften bekommt er Widerstand? Mit einer Kollegin aus England schreibe ich im Moment ein Buch über Konvergenz in Journalismus-Praktiken. Wir untersuchen, wie sich Journalisten an technologische Innovationen 'anpassen' und in welcher Form Digitalisierung einen Einfluss ausübt. Die empirische Anwendung von Konzepten wie Muster (von Gewohnheit, Wiederholung, Nachahmung), Verankerung, Übersetzung und Heterogenität von Lösungen können offenbaren, welche Akteure wichtig sind in der Objektivierung der digital-konvergenten Journalistik.
Ich möchte in der nahen Zukunft auch ein Forschungsprojekt zur Religion in Bezug auf Vermittlung organisieren. Die zentralen Fragen dabei ist, wie bestimmte Vermittlungen bestimmte religiöse Erfahrungen ermöglichen. Ich bin besonders interessiert an der Vermittlung der Realpräsenz der Eucharistie und wie diese von bestimmten Objekten und auch Architektur abhängig gemacht ist. Ein Vergleich zwischen evangelischen und katholischen Praktiken des Gebets macht diese Objektivität der Vermittlung sichtbar.
Seit 1996 bin ich mit Risikoforschung beschäftigt. An der KU Eichstätt-Ingolstadt möchte ich das gerne fortführen. Mein Fachgebiet hat speziellen Bezug zu den Themenfeldern öffentliche Gesundheit und Gesundheitsschutz-Kommunikation. In Zukunft weden ich meine Arbeit in diesem Feld weiterführen mit einer Orientierung auf Praktiken der Epidemiologie als Art und Weise von Vergesellschaftung der Gesundheitsrisiken. Ich werde untersuchen, wie Risikobegrenzung funktioniert, z. B. bei der Überwachung und Problematisierung der sexuellen Gesundheit von Teenagern und der verschiedenen Formen der Grippe (Vogelgrippe, Schweinegrippe). Ein zweites Projekt befasst sich mit Nanotechnologie und der Versicherungswirtschaft.
Im Moment bin ich viel mit Forschung zur Gaming-Industrie beschäftigt. Mein Interesse gilt den Massive Multiplayer Online Roleplaying Spielen, weil sie eine seltsame und interessante soziale Realität geschaffen haben. Wieder geht es dabei um Vermittlung und Sozialität, aber auch um Tausch, Virtualität und Bindung. Diese Arbeit ist sowohl empirisch als auch theoretisch ausgelegt. Mein zukünftiger Fokus ist auf Game Design und gesellschaftliches Engagement gerichtet.
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